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Stiefkind Wald

Während der Woche des Waldes entdecken zahlreiche Politiker plötzlich ihre Liebe zum Wald. Warum der Wald im Klimawandel noch nie so wichtig war wie jetzt und warum er mehr Unterstützung braucht als nur hübsche Sonntagsreden lesen Sie hier.

Für viele Menschen stellt Wald vor allem einen Ort der Erholung dar, der mehr oder weniger häufig genutzt wird. Doch das war es dann schon für die meisten Mitteleuropäer und ihrer Beziehung zum Wald. So ist den meisten kaum bewusst, dass der Wald ein wichtiger Rohstofflieferant ist, fanatische Naturschützer sehen in jedem gefällten Baum sogar ein Problem. Das Holz aber ein nachwachsender Rohstoff ist – einer der wenigen im Vergleich zu Erzen und fossilen Energieträgern – wird dabei übersehen. Ebenso die Tatsache das eine freie Stelle im Wald sowohl von den benachbarten Bäumen als auch von im Boden schlummernden Samen bald wieder bewachsen wird. Doch obwohl der Wald zwar sehr beliebt ist, im Alltag spielt er kaum eine Rolle, wenn man nicht zu der kleinen Gruppe an Menschen gehört, die mit dem Wald beruflich verbunden sind.

Das erkennt man unter anderem am politischen Diskurs. Wann hat zuletzt ein Politiker nach mehr Wald verlangt oder einer besseren Unterstützung von Waldbesitzern und Forstbetrieben gefordert? Blickt man in die politischen Programme der im Bundestag vertretenen Parteien hat man große Mühe den Begriff Wald überhaupt zu finden, meist irgendwo recht weit hinten mit wenig konkreten Forderungen und Zielen, falls überhaupt. Auch an den EU-Förderungen ist das erkennbar: Der Europäische Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) wie das Förderprogramm offiziell heißt hat im aktuellen Progamm, das von 2014 bis 2020 läuft, einen Umfang von 310 Mrd. Euro und ist damit der mit Abstand größte Förderbrocken. Doch nur marginale 8 % kommen der Forstwirtschaft bzw dem Wald zugute. Bemerkenswert wenig, wenn man bedenkt das rund ein Drittel der EU-Fläche Wald ist.

Multitalent Wald: Lebensraum, Rohstoffproduzent, Beschützer vor Naturgefahren

Der Wald befindet sich als sowohl politisch als auch medial in einem Dornröschenschlaf, und das obwohl er eine Reihe von sogenannten Ökosystemdienstleistungen erbringt, die ohne ihn kaum oder nur mit erheblichem finanziellem Aufwand möglich wären. Wenn der Wald in den Mittelpunkt rückt, dann meist nur wenn es um Schäden wie Waldbrände oder sehr großflächige Schäden wie Borkenkäfer oder Windwurfkatastrophen geht, und auch da nur in regionalen Medien präsent.

Der grüne Beschützer

Der Wald hat also eine große Schutzwirkung – das heißt, er speichert Wasser, bindet Schnee, vermindert die Windstärke und schützt den Boden vor Erosion. Die Wurzeln der Bäume halten den Boden, der bei starkem Regen viel Wasser aufnimmt, fest und schützen den Menschen und seine Siedlungen vor Muren, Lawinen und Wildbächen. Wald verzögert auch den oberflächigen Wasserablauf und mildert so Hochwasserspitzen, indem Niederschläge von den Blättern und Nadeln, aber auch vom Stamm aufgefangen werden und langsam in den Boden eindringen. Im Alpenraum werden der menschliche Kultur- und Naturraum ständig von Naturgefahren bedroht. Durch Überflutungen und Massenbewegungen in Folge von Starkregen sind in den letzten Jahrzehnten erhebliche Schäden an Wohnsiedlungen, Betriebsstätten und Infrastruktur entstanden.

Durch den Klimawandel werden viele ehemalige Agrarflächen nur noch als Wald zu bewirtschaften sein.

Klimaretter Wald

Im Zuge der Diskussionen zum Klimawandel und der damit ver­bundenen Maßnahmen zum Klimaschutz rücken Wälder als Koh­lenstoffspeicher immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit. Wäl­der speichern langfristig Kohlenstoff in der Biomasse der Bäume, aber auch im Totholz und im Mineralboden. Bereits heute sind Wälder als Kohlenstoffspeicher vielfach Teil kommunaler Klimaschutzprogramme. Firmen finanzieren Auf­forstungen, um ihre CO2-Emissionen auszugleichen und auch Pri­vatpersonen oder öffentliche Einrichtungen wie Schulen oder Kin­dergärten engagieren sich vermehrt im Klimaschutz, z. B. indem sie Bäume pflanzen und „Baumpatenschaften“ übernehmen.

Dass Bäume einen Beitrag zum Klimaschutz leisten ist allgemein bekannt. Oft wird fälschlicherweise vermutet, dass eine Spei­cherung des CO2 stattfindet. Bäume verwenden jedoch für den Biomasseaufbau im Zuge der Photosynthese lediglich den Kohlen­stoff (C) und setzen den Sauerstoff (O2) wieder frei. Will man den Klimaeffekt von Bäumen also korrekt beschreiben, muss man von einer C-Bindung und nicht von einer CO2-Bindung sprechen. Wieviel CO2 der Atmosphäre entzogen wird, hängt davon ab wie alt der Baum bzw. der Bestand ist und welche Baumarten dominieren. Als Richtwert kann man aber davon ausgehen das für das Wachstum eines Festmeter Holzes etwa eine Tonne CO2 aus der Atmosphäre entzogen wird, in Jungbeständen kann dieser Wert bis auf das Doppelte ansteigen. Seltsamerweise blieb dieser Prozess lange Zeit unberücksichtigt. Auch wenn wie eingangs erwähnt es verschiedene Formen der Waldnutzung als Kohlenstoffspeicher gibt, so sind diese meist Einzelinitiativen geblieben, die global gesehen kaum einen Einfluss hatten.

Mehr Wald & mehr Unterstützung für den Wald

Doch damit das gelingt müssen die Anbauflächen von Holz steigen, anders gesagt: es braucht mehr Wald, nicht nur in Mitteleuropa, sondern weltweit, zumindest auf den Flächen wo die Standortsbedingungen das Wachstum von Wald zulässt. Die Kritik an tropischen Ländern wie Indonesien und Brasilien, das Jahr für Jahr riesige Waldflächen vernichten zum Anbau verschiedener landwirtschaftlicher Kulturen ist absolut berechtigt, denn gerade die Tropenwälder haben einen enormen Einfluss auf das Waldklima. Dazu kommt noch der traurige Umstand das Wälder – anders als in Europa oder Nordamerika – in den Tropenregionen nur schwer wieder aufgeforstet werden können, da die gesamten Nährstoffe der Tropenwälder in der Vegetation gespeichert sind. Aufgrund der hohen Niederschläge sind die Wälder in Tropenregionen äußerst nährstoffarm. Wird der Wald abgeholzt, gehen auch die gesamten Nährstoffe verloren und es setzt keine natürliche Wiederbewaldung ein, sondern es bilden sich artenarme, steppenähnliche Flächen.

Aus all diesen Gründen braucht der Wald eine Lobby, das sein Potential erkennt und es zur Geltung bringt. Sonntagsreden von Politkern wie sie jetzt wieder anlässlich der Grünen Woche stattfinden sind kaum hilfreich, es braucht ein mehr an finanzieller Förderung für Forschung und Waldbesitzer, eine Aufstockung des Forstpersonals und insgesamt eine Ausweitung der Waldfläche.

Wälder sind selbsterhaltend. Wenn der Mensch sie lässt…