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Grundlagen naturnaher Waldwirtschaft

In der naturnahen Waldwirtschaft orientiert sich die Baumartenwahl an der natürlichen Waldgesellschaft.

Der Wald als Lehrmeister

Je künstlicher und naturferner ein Waldbestand ist, desto instabiler ist er. Gleichförmige, strukturarme Bestände sind nicht nur für diverse Schädlinge attraktiver, sie sind aufgrund ihres Mangels an Vielfalt auch weniger resistent gegenüber Störungen. Mit der naturnahen Waldwirtschaft sollen Prozesse, wie sie auch im Urwald vorkommen, übernommen werden und für die Bewirtschaftung genutzt werden. Als Urwälder versteht man hier aber keine tropischen Regenwälder voller Dickicht, sondern Wälder, in denen der Mensch bisher keinen (oder nur einen sehr geringen) Einfluss hatte. Die naturnahe Waldwirtschaft hat auch nicht das Ziel, aktiven Naturschutz zu betreiben, vielmehr soll durch ihre Anwendung die Bewirtschaftung effizienter gestaltet werden, da man sich an natürlichen Prozessen orientiert. Anstatt teurer Aufforstungen vertraut der Waldbesitzer auf die Naturverjüngung, anstelle von großen Kahlschlägen werden Kleinflächen genutzt, auf denen sich die Wiederbewaldung leichter gestaltet.

Der naturnahe Wald ist aber kein Naturwald – da es die Eingriffe des Menschen gibt, die den Wald beeinflussen. Die naturnahe Waldwirtschaft soll aber garantieren, dass diese Eingriffe den Wald nicht schädigen oder gar vernichten, sondern vielmehr das gesamte Ökosystem Wald so wenig wie möglich negativ beeinflussen. Aber was bedeutet naturnahe Waldwirtschaft konkret? Die Arbeitsgemeinschaft „Naturnahe Waldwirtschaft“ hat dafür Empfehlungen entworfen, die hier im Einzelnen präsentiert werden.

  • Den Wald als Ökosystem bewirtschaften und erhalten
  • Bodenproduktivität durch dauernde Überschirmung bewahren und Kahlschläge bzw. flächige Nutzungen weitgehend vermeiden
  • Biomasseentzug begrenzen
  • Ausgeglichenes, spezifisches Waldinnenklima bewahren
  • Stoffkreisläufe möglichst nicht unterbrechen

Den Wald als Ökosystem bewirtschaften bedeutet vor allem, die Prozesse, die im Wald passieren, durch die Bewirtschaftung nicht zu stören, sondern sie vielmehr zu nutzen. Dabei ist der Nährstoffkreislauf der wichtigste Prozess: Das Bodenleben baut Blätter, Äste und anderes totes Material um und stellt die darin gebundenen Nährstoffe den Baumwurzeln zur Verfügung. Auf Kahlschlägen, bei denen viel Sonne und Wärme auf den Boden trifft, ist der Nährstoffkreislauf beschleunigt, wodurch die Gefahr besteht, dass diese durch Wind und Regen ausgetragen werden. Die Erhaltung der Bodenkraft ist wesentlich, da ein Nährstoffentzug zu vermindertem Holzzuwachs führt und in schweren Fällen sogar zu so großer Nährstoffarmut, dass kein Wald mehr wachsen kann.

Wo immer möglich, sollen die Nutzungen kleinflächig erfolgen und die Beschirmung möglichst erhalten bleiben, da sich auch die Naturverjüngung unter Schirm besser entwickelt. Der Waldbesitzer profitiert von der Erhaltung der Bodenkraft.

Erhaltung der Vitalität des Waldes

  • Baumartenwahl an natürlicher Waldgesellschaft orientieren
  • Biotopangepasste Wilddichten herstellen, damit sich alle standortsgerechten Baumarten verjüngen können
  • Natürliche Strukturen und Prozesse zur Förderung der Stabilität nützen
  • Höhere Bestandsstabilität durch Strukturierung und Ungleichaltrigkeit erreichen
  • Schonende Holzernte, Schäden an Boden und Bestand vermeiden

Durch standortangepasste Baumarten wird das Risiko von Schäden wie Windwurf und Borkenkäfer minimiert. Je vielfältiger ein Bestand ist, desto resistenter ist er gegenüber Schäden: Ein Mischwald, in dem auch die Bäume ungleichaltrig sind, ist viel stabiler als das Stangenholz einer Fichtenmonokultur. Ein gesunder Wald ist eindeutig im Interesse des Waldbesitzers. Allerdings sind die Empfehlungen nicht immer einfach umzusetzen: Standortsfremde Nadelholzbestände benötigen viel Zeit und Pflege, bis sie in Mischwälder umgewandelt wurden. Auch der Aufbau eines ungleichartigen Waldbestands benötigt viel Zeit.

Stärkung der Wirtschaftsleistung des Waldes

  • Kontinuität in der Wertschöpfung durch vielfältigen Waldaufbau sichern
  • Kahlschläge weitgehend vermeiden
  • Individualität des Einzelbaumes durch Einzelstammnutzung berücksichtigen
  • Durch permanente Auslese Wertholz produzieren
  • Von starren Umtriebszeiten abgehen
  • Naturverjüngung mit langen Verjüngungszeiträumen bevorzugen
  • Natürliche Differenzierung und Stammzahlreduktion des Jungwuchses nützen
  • Geländeangepasste Erschließung zur schonenden Waldbewirtschaftung fördern

Waldwirtschaft ist kein Selbstzweck, sondern gerade in bäuerlichen Betrieben eine wichtige Einkommensquelle. Das Einkommen kann aber nicht nur durch bessere Holzpreise erzielt werden, sondern auch dadurch, dass man natürliche Prozesse nutzt und somit Kosten spart. Die Naturverjüngung ist ein Beispiel dafür, ebenso das natürliche Absterben von Bäumen im Jungwuchs, wodurch sich der Waldbesitzer teure Pflegemaßnahmen erspart. Die Kahlschlagwirtschaft ist mit einigen Nachteilen verbunden, gleichzeitig ist sie aber eine schematische Bewirtschaftung, die weniger aufwändig ist als die permanente Pflege eines Dauerwaldes, wo jeder einzelne Baum vor der Ernte angesprochen wird. Dafür fallen im Dauerwald aber Kosten für Aufforstung und Durchforstungen weg.

Erhaltung von Schutz- und Wohlfahrtswirkungen

  • Dauerhafte Schutzwirkung durch mäßige Nutzungseingriffe und Dauerwaldstrukturen in vielfältiger Form erhalten
  • Nutzungsvielfalt berücksichtigen
  • Schutz des Waldbodens vor Erosion
  • Hochwasserschutz und Sicherung von Trinkwasser

Im Alpenraum ist der Wald nicht nur Produzent von Holz, sondern schützt auch vor einer Reihe von Naturgefahren: Steinschlag, Lawinen, Muren und Hochwasser können vom Wald verhindert werden. Mit dem Klimawandel werden aber auch Starkregen zunehmen: Der Wald ist ein ausgezeichneter Wasserspeicher, der das Zustandekommen von Hochwässern verhindern oder zumindest verzögern kann. Die Bewirtschaftung des Waldes ist der beste Schutz vor Naturgefahren, solange nicht mit großflächigen Kahlschlägen gearbeitet wird.

Erhaltung der biologischen Vielfalt von Waldökosystemen

  • Vielfalt an horizontalen und vertikalen Strukturen fördern
  • Lebensraum- und Artenvielfalt fördern
  • Genetische Vielfalt durch Naturverjüngung sichern
  • Liegendes und stehendes Biotopholz belassen
  • Pestizide und Herbizide möglichst vermeiden
  • Gastbaumarten nur als Mischung zu heimischen Baumarten verwenden
  • Sukzessionsbaumarten in der Bewirtschaftung berücksichtigen

Der Wald ist eine Lebensgemeinschaft, die aus vielen Arten von Tieren, Pflanzen und Pilzen besteht. Einige Arten wie Borkenkäfer sind schädlich, andere wiederum sind absolut notwendig für das Gedeihen des Waldbestandes. Viele Abläufe sind noch nicht bekannt. Im Gegensatz zu künstlichen Plantagenwäldern, wie sie in Nord- und Südamerika weit verbreitet sind, sollen die Verjüngung und das Baumwachstum ablaufen, ohne dass menschliche Eingriffe nötig sind. Dafür braucht es aber die Vielfalt an waldbewohnenden Lebewesen, etwa für die Bestäubung der Blüten oder den Samentransport.

Will man als Waldbesitzer die natürlichen Prozesse im Wald nutzen, so ist es auch notwendig, die Vielfalt an Arten zu erhalten, die diese Prozesse umsetzen. Das Belassen von Totholz erspart Arbeit und liefert gleichzeitig Lebensraum für bedroht Arten. Sukzessionsbaumarten wie Birke, Salweide und Eberesche haben nicht nur kräftige Wurzeln, die den Boden erschließen, ihre Streu ist auch leicht abbaubar und verbessert den Nährstoffkreislauf.

In der naturnahen Waldwirtschaft werden auch die Schutz- und Wohlfahrtsfunktionen des Waldes erfüllt. Foto: BMNT/Alexander Haiden