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Schlagfläche als Habitat

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Lichtliebende Arten wie die Smaragdeidechse profitiern vom Kahlschlag – und damit auch die Biodiversität. Foto: Rudmer Zwerver/shutterstock.com

Die Sonne brennt vom Himmel und die Luft flirrt in der Sommerhitze. Seit der Schlägerung vor einigen Wochen gibt es nirgendwo Schatten. Vielen Tier- und Pflanzenarten bekommt die Hitze gar nicht. Die Smaragdeidechse hingegen fühlt sich auf diesem Kahlschlag in ihrem Element. Als Kaltblüter ist sie auf die wärmenden Sonnenstrahlen angewiesen, die ihren Stoffwechsel in Schwung bringen. Dem kühlen Wald, der den Boden beschattet, blieb das kleine Reptil immer fern. Die Freifläche ist aber ideal für ihre Ansprüche, denn es ist nicht nur warm, es krabbelt jede Menge an potentieller Nahrung herum: Auch Insekten, Spinnen und Regenwürmer entwickeln sich auf dem Kahlschlag prächtig.

Im Wald ist nur eines von Dauer: der Wandel. Der Kahlschlag ist keine Erfindung des Menschen. Flächen, auf denen die Bäume fehlen, gab auch es schon lange bevor Menschen mit Äxten und Sägen in den Wald drangen. Naturkatastrophen – oder auch Störungen, wie sie der Ökologe nennt – wie Lawinen, Erdrutsche, Überschwemmungen und Waldbrände können einen gesamten Waldbestand derart vernichten, das nicht einmal Totholz liegen bleibt. Es dauert aber nicht lange, bis die freie Fläche wieder besiedelt wird: Viele Tiere und Pflanzen sind auf solche Verhältnisse spezialisiert. Langfristig werden solche Standorte wieder von Bäumen beherrscht, aber bis die großen Holzgewächse wieder dominieren, können viele Jahre vergehen.

Vor allem Vertreter der Bodenpflanzen wie Wald-Hainsimse (Luzula sylvatica) und Sauerklee (Oxalis acetosella) sind rasch bei der Besiedelung von Freiflächen. Das gelingt ihnen deshalb, weil im Waldboden Samen schlummern, die nur darauf warten, dass der Waldboden nicht mehr von Fichten und Buchen beschattet wird. Es ist dabei unerheblich, ob ein Windwurf oder die Motorsäge den Baum zu Fall bringen: Die Bodenpflanze wächst rasch heran und nutzt den plötzlich freien Raum. Zusätzlich werden durch die intensivere Sonneneinstrahlung die Nährstoffe schneller freigesetzt, was das Wachstum der Bodenpflanzen begünstigt. Was dazu führt, dass die Populationen von Schnecken, Insekten und Spinnentieren ebenfalls zunehmen.

 

Mäusebussard

Mäusebussard.

Doch nicht nur kleine Tiere profitieren von der Freifläche. So ist etwa bekannt, dass Mäuse sich auf Kahlschlägen hervorragend vermehren, was wiederum Räuber wie Fuchs (Vulpes vulpes), Mäusebussard (Buteo buteo) und Habicht (Accipiter gentilis) anlockt. Der Kahlschlag ist also keine lebensfeindliche Einöde, sondern er führt zu einem Wechsel der Arten: Die waldbewohnenden Arten werden von Arten, die auf Freiflächen angewiesen sind, abgelöst. Für die Waldwirtschaft bringt der Kahlschlag Nachteile mit sich: Die Gefahr von Erosion und Nährstoffverlust ist vor allem auf Hanglagen groß, durch die Konkurrenzvegetation entsteht ein hoher Pflegeaufwand für die Kulturbegründung, zudem sind Schädlinge wie der große braune Rüsselkäfer (Hylobius abietis) auf die Kahlschlagaufforstungen spezialisiert. Für manche gefährdete Arten stellen Kahlschläge aber ein Refugium dar.