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Brauchen wir Exoten?

Borkenkäfer, Eschentriebsterben, Eichensterben: Immer mehr heimische Baumarten leiden unter Krankheiten. Eine internationale Studie zeigt jetzt aber dass Exoten mehr Probleme bereiten als dass sie zur Lösung beitragen.

Immer mehr heimische Baumarten leiden unter Krankheiten und Schädlingen, die eine nachhaltige und wirtschaftlich erfolgreiche Bewirtschaftung behindern, in manchen Fällen sogar unmöglich machen.Die Gründe dafür sind vielfältig, neben dem Klimawandel sind nicht mehr funktionierende Waldbaukonzepte sowie die Einwanderung neuer Schädlinge dafür verantwortlich.. Aber liegt die Lösung der aktuellen Probleme tatsächlich darin fremdländische Baumarten anzupflanzen? Oder hat man angesichts der Schwierigkeiten mit den natürlichen Baumarten als Waldbesitzer gar keine andere Wahl als sein Heil im Anbau von Douglasie und Großer Küstentanne zu suchen?

Küstentanne

Große Küstentanne (Abies grandis): Stammt wie die Douglasie aus dem Westen der USA, ist dort aber bis zu einer Höhe von 1.600 m anzutreffen. Ist enorm wüchsig, in Nordrhein-Westfalen stockt ein 60 jähriger Bestand mit rund 1.400 fm.

Aktuelle Studie: Negative Effekte auf Artenvielfalt

Eine aktuelle Studie der WSL Schweiz (https://www.wsl.ch/de/newsseiten/2023/01/wie-sich-nicht-einheimische-baumarten-auf-die-biologische-vielfalt-auswirken.html) zeigt, dass der Anbau von nichtheimischen Baumarten zumindest kritisch zu sehen ist. Exotische Baumarten können die heimische Artenvielfalt verringern, wenn sie in einheitlichen Beständen angepflanzt sind. Hingegen sind ihre Auswirkungen auf Bodeneigenschaften gering. Vor allem die Biodiversität leidet unter dem Anbau fremdländischer Baumarten, da sich Insekten und Vögel nur schwer oder gar nicht auf neuartige Baumarten anpassen können. Allerdings ist die Bewirtschaftung wesentlich für die Auswirkungen: während Monokulturen (wie auch bei heimischen Baumarten) zu Problemen führen ist der dosierte Einsatz in Mischwäldern als unproblematisch einzuschätzen.

Was kann man noch pflanzen?

Genügsam und sehr wüchsig: das sind die Gründe warum sich die Fichte außerhalb ihres ursprünglichen montanen Verbreitungsgebiets im Wirtschaftswald so stark durchgesetzt hat. Mehr als 50 % der heimischen Waldfläche sind mit Fichte bestockt, in Bayern und Baden-Würtemberg sind es ebenfalls weit über 40 %. Die immer heißer werdenden Sommer zeigen aber deutlich die Grenzen der Fichtenwirtschaft auf: die Schadholzmengen verursacht durch Borkenkäfer und Windwurf steigen Jahr für Jahr an. Mittelfristig wird daher die Fichte nur noch an naturnahen Gebirgsstandorten erfolgreich zu bewirtschaften sein. Im Gegensatz zur Fichte wurde die Esche stets an ihr zuträglichen Standorten angebaut. Trotzdem leidet die Esche seit Jahren am Eschentriebsterben, verursacht durch einen eingewanderten Pilz. Auch wenn manche Eschen resistent sind und die Hoffnung besteht, dass aus diesen resistenten Bäumen gesunde Eschenbestände heranwachsen können, ist die Esche in nächster Zukunft keine Zielbaumart. Durch den Klimawandel steigen die Temperaturen und die Sommer werden trockener und länger: eigentlich ideale Voraussetzungen für Kiefer und Eiche könnte man denken. Doch beide Baumarten leiden unter einer Vielzahl von Schädlingen. Die Schäden sind nicht so groß und schwerwiegend wie bei der Fichte, da aber vor allem der jährliche Zuwachs betroffen sind drängen sich daher weder Eiche noch Kiefer als potentielle Ersatzbaumarten für die Fichte auf. Auch das Ulmensterben sowie die Kastanienschädlinge sind Gründe dafür, dass kaum jemand diese Bäume noch kultiviert.

Douglasienbestand

Douglasie (Pseudotsuga menziesii): Die Douglasie stammt ursprünglich aus dem Westen der USA und wurde bereits im 19. Jahrhundert in Mitteleuropa kultiviert. Besonders wichtig ist bei ihr die Auswahl der richtigen Herkunft. Sie wird oft als Hoffnungsträger für trockene Standorte bezeichnet, was nur bedingt stimmt, da sie zwar resistent ist gegenüber Dürren, aber auf eine gute Grundwasserversorgung angewiesen ist.

Chancen und Risiken

Aufgrund der schwierigen Situation einer ganzen Reihe heimischer Baumarten ist es nur logisch, dass Douglasie und Große Küstentanne so anziehend wirken für Forstleute und Waldbesitzer. Noch dazu, wo beide Baumarten so große Holzmengen produzieren, die die heimischen Baumarten, insbesondere die Laubbaumarten, niemals erreichen. Zum Klub der Hoffnungsträger gehört auch die Roteiche, nicht nur weil sie raschwüchsig ist sondern auch da sie resistent gegenüber Waldbränden ist und daher eine Alternative für waldbrandgefährdete Gebiete darstellt.

Trotzdem sollte nicht auf die Nebenwirkungen vergessen werden: Die Zuwachswerte von Douglasie und Großer Küstentanne sind zweifellos beeindruckend. Obwohl die Anbaugebiete bisher verhältnismäßig klein sind, sind aber trotzdem bereits Probleme mit diversen Schädlingen bekannt. Douglasienschütte und Douglasienmücke wurden bereits in Douglasienbeständen gefunden und die Schäden erinnern an die Fehler der Fichtenwirtschaft: je standortsfremer der Bestand, desto größer sind die auftretenden Schäden. Gleiches gilt für die Große Küstentanne: obwohl sie toleranter gegenüber den Standortsbedingungen ist als die heimische Weißtanne wird sie von Hallimasch und Rüsselkäfer befallen. 2007 kam es erstmals zu einem Massenauftreten der nordamerikansichen Colorado-Tannnentrieblaus in Ostdeutschland. Sowohl Küstentanne als auch Douglasie sind stark durch Wildverbiss bedroht, und ihre Empfindlichkeit in der Jugend gegenüber Trockenheit und Spätfrost lassen sie nicht als generelle Ersatzbaumart für die Fichte erscheinen.

Robinienbestand

Robinie (Robinia pseudoacia): Wurde als Ziergehölz aus Amerika nach Europa eingeführt, ist in der Lage Luftstickstoff mit Knöllchenbakterien zu binden (Leguminose). Ihre erfolgreiche Verbreitung verdankt sie vor allem ihrer Wurzelbrut und der Ausschlagsfähigkeit, für die Bekämpfung muss der Boden mehrmals gemulcht werden. Gilt als invasive Art, Rinde und Früchte sind zudem stark giftig.

Exoten: Ja oder Nein?

Die Diskussion um die Einführung exotischer Baumarten wird von den Beteiligten – wie so oft in solchen Fällen – emotional statt auf Argumenten aufbauend geführt. Für die Vertreter des Naturschutzes scheint jeder exotische Baum einer zu viel zu sein, manche Forstleute wiederum sehen in ihnen (insbesondere der Douglasie), das Allheilmittel um in der Waldbewirtschaftung so weiterzumachen wie bisher. Mit dem einzigen Unterschied, das statt Fichtenmonokulturen Douglasienreinbestände die Landschaft prägen. Das deutsche Bundesamt für Naturschutz führt die Douglasie in der Liste der invasiven Arten. Unter einer invasiven Art versteht man eine fremdländische Spezies, die künstlich bzw. anthropogen (also unter menschlicher Hilfe) in einen neuen Lebensraum eindringt, sich als äußerst konkurrenzfähig erweist und die heimischen Arten bedroht. Außerdem sind solche Arten auch bei massiver Bekämpfung nur schwer in Griff zu bekommen. Ein Beispiel hierfür ist die Robinie, die in einigen Teilen Ostösterreichs aufgrund ihrer Fähigkeit sich über ihre Wurzelbrut zu vermehren in Eichenwäldern erfolgreich verbreitet. Ähnliches ist aber von der Douglasie bisher nicht bekannt, und das obwohl seit knapp 200 Jahren Erfahrung mit der Kultivierung der Douglasie in Europa existieren.

Man muss auch hinzufügen, dass es ehemalige Exoten gibt, die sich im Lauf der Jahrhunderte in Mitteleuropa hervorragend angepasst – sozusagen integriert – haben. Zu diesen Baumarten mit Migrationshintergrund gehören unter anderem die Schwarznuß, die Walnuß und die Edelkastanie. Alle drei Arten wurden in Mitteleuropa aufgrund ihrer Früchte angebaut.  Diese fruchttragenden Baumarten sind ein Beispiel dafür, dass sich ursprünglich exotische Baumarten anpassen und langfristig in das Baumartenspektrum eingliedern können ohne Probleme für das Ökosystem Wald darzustellen. Es sei auch daran erinnert, dass seit der letzten Eiszeit praktisch alle Baumarten zuallererst Exoten waren. Aus ihren jeweiligen Rückzugsgebieten kommend mussten sie sich erst in Mitteleuropa beweisen und um ihren Platz in den heimischen Waldgesellschaften kämpfen – und ohne den starken Eingriff des Menschen in den Wald würde dieser Prozess wohl immer noch andauern.

Daran zeigt sich aber auch der klare Unterschied zwischen den heimischen Baumarten und den Exoten: erstgenannte haben sich ohne menschliche Eingriffe ihren Platz erobern müssen, sich sozusagen dafür qualifiziert und bewiesen das sie mit Klima, Standort und Schädlingen zu Recht kommen. Diese Erfahrung fehlt bei den Exoten und wie bereits erwähnt sollen Douglasienschütte, Rüsselkäfer und Tannentrieblaus eine Warnung dafür sein, Fichtenmonokulturen einfach mit Reinbeständen von Exoten auszutauschen, sei ihr Wachstum auch noch so beeindruckend. Der Anbau dieser drei Baumarten kommt allenfalls als Mischbaumart und Ergänzung zu den Arten der jeweiligen natürlichen Waldgesellschaft in Frage – und auch hier nur an Standorten, die auch wirklich geeignet erscheinen.

Forstleute und Waldbesitzer müssen sich in Zukunft auch wieder an heimische Baumarten erinnern, vor allem an die Buche in Tieflagen und die Tanne im Mittelgebirge. Und abseits von den Hauptbaumarten gibt es noch eine ganze Reihe von quasi vergessenen Baumarten wie Berg- und Spitzahorn, Hainbuche, Linde, Traubenkirsche, Speierling, Elsbeere, Lärche und Zirbe. Vor allem bedarf es einem großen Umdenken in der Bewirtschaftung: weg von der Maximierung der Holzproduktion in anfälligen Monokulturen hin zu stabilen und produktiven Mischwäldern. Wer jetzt einen Bestand begründet, tut dies für seine Nachkommen. Und diese werden mehr Freude haben mit einem stabilen Mischbestand als mit einer potentiell wüchsigeren Monokultur, die aber in Wahrheit ein Schlaraffenland für diverse Schädlinge ist.